zurück Medienmitteilung 10. Mai 2017

Wirkungen von höheren Anreizleistungen in der Sozialhilfe

Medienmitteilung der BKSE vom 10.5.2017

Der positive Schein trügt: Risiken von Fehlanreizen und unerwünschten Wirkungen sind erheblich

Mit höheren Anreizen will die Regierung des Kantons Bern erreichen, dass sich Sozialhilfebeziehende rascher als bisher in den Arbeitsmarkt integrieren. Wie wirksam sind entsprechende Massnahmen? Die Berner Konferenz für Sozialhilfe, Kindes- und Erwachsenenschutz (BKSE) hat im Rahmen der Debatte um die Revision des Sozialhilfegesetzes bei der Berner Fachhochschule Soziale Arbeit eine „wissenschaftlich basierte Einschätzung der Wirkungen der geplanten höheren Anreizleistungen in der Sozialhilfe“ in Auftrag gegeben. Der am Mittwoch vorgestellte Bericht zeigt, dass die Erwerbstätigkeit von Sozialhilfebeziehenden nur begrenzt mit finanziellen Anreizen erklärt und beeinflusst werden kann. Teilweise können sogar unerwünschte Wirkungen auftreten.

Gemäss Ankündigung vom 3. Januar 2017 plant die Berner Regierung bei der nächsten Revision des Sozialhilfegesetzes (SHG) die Integrationszulage (von bisher 100 auf neu bis 300 Franken) sowie den bisher gewährten Einkommensfreibetrag (von in der Regel 400 auf neu bis 700 Franken) zu erhöhen. Ziel dieser Massnahmen sei es, die wirtschaftliche und soziale Integration der Sozialhilfebeziehenden zu fördern, was zu einer Senkung der Sozialhilfekosten führen sollte.

Um die Wirksamkeit solcher Anreize zu beurteilen, hat die Berner Konferenz für Sozialhilfe, Kindes- und Erwachsenenschutz (BKSE) bei der Berner Fachhochschule Soziale Arbeit eine entsprechende wissenschaftlich basierte Einschätzung in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse des Berichts wurden an der Mitgliederversammlung der BKSE vom Mittwoch, 10. Mai 2017, vorgestellt und diskutiert.

Die Autoren weisen darauf hin, dass Integrationszulage und Einkommensfreibetrag von den Sozialdiensten als positive Anreize eingesetzt werden, um Sozialhilfebeziehende zu ermutigen, sich für eine Verbesserung ihrer persönlichen Situation einzusetzen oder besondere Bemühungen um Integration zu honorieren. Allerdings existieren nur wenige Studien über die Wirkung von solchen Anreizen. Wo Ergebnisse vorliegen, weisen sie entweder keine oder nur eine geringe Wirkung nach. Eine Erkenntnis ist die, dass Erwerbstätigkeit von Sozialhilfebeziehenden nur begrenzt mit finanziellen Anreizen erklärt und beeinflusst werden kann. Die grosse Mehrheit der erwerbslosen Klientinnen und Klienten bemühe sich um Arbeit und sei bereit, „prekäre Erwerbstätigkeiten in Kauf zu nehmen“.

Gemäss Studie der Fachhochschule ist davon auszugehen, „dass nur ressourcenstarke Sozialhilfebeziehende von einem veränderten System mit reduziertem Grundbedarf und höheren Anreizleistungen (so die Eckwerte der Regierung, Anmerkung BKSE) profitieren und eine deutliche Mehrheit der Sozialhilfebeziehenden finanzielle Einbussen erleiden wird.“ Besonders betroffen wären neben älteren Sozialhilfebeziehende über 50 Jahre in erster Linie Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, welche die geplante Kürzung des Grundbedarfs stark zu spüren bekämen. Das könne „zu erhöhter Familien- und Kinderarmut führen sowie die generationenübergreifende Vererbung von Armut verstärken“.

Die Integrationszulage honoriert in erster Linie die Bemühungen um die soziale und berufliche Integration. Ob sie mittelfristig zu einer höheren Erwerbsbeteiligung oder einer vermehrten Ablösung aus der Sozialhilfe führt, kann hingegen nicht belegt werden. Von höheren Einkommensfreibeträgen wiederum seien „bestenfalls kleine Effekte“ zu erwarten, kommen die Autoren zum Schluss. Allerdings weisen sie auch darauf hin, dass eine Erhöhung des Einkommensfreibetrages zu weiteren Schwelleneffekten zwischen Sozialhilfe und Niedriglohnbereich führen könne, „wenn insbesondere die Steuerbelastung für tiefere Einkommen sowie der Bezug von Prämienverbilligungen nicht ebenfalls angepasst werden.“

Die BKSE hat bereits am 10. April 2017 in einer ersten Stellungnahme ihre Position zu den Sparvorschlägen der Berner Regierung bei der nächsten Revision des Sozialhilfegesetzes (SHG) präsentiert und dabei festgestellt, dass die politischen Vorgaben zur Reduktion der Sozialhilfekosten bereits erfüllt seien. Die BKSE erwartet, dass die Ergebnisse der vorliegenden wissenschaftlichen Einschätzung der Wirkungen der geplanten höheren Anreizleistungen in der Sozialhilfe bei der Revision des Sozialhilfegesetzes berücksichtigt werden.

Download Bericht "Wirkungen von Anreizleistungen in der Sozialhilfe - Eine wissenschaftlich basierte Einschätzung der Wirkungen der geplanten höheren Anreizleistungen in der Sozialhilfe", Berner Fachhochschule Soziale Arbeit, 9.5.2017

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